Radiologie up2date 2018; 18(03): 251-267
DOI: 10.1055/a-0631-6209
Kopf/Hals-Radiologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Ich schau Dir in die Augen, Kleines“ – neuroradiologische Befunde bei okulomotorischen Störungen

Hereʼs looking at you, kid – neuroradiologic findings in oculomotor disorders
Stefan Weidauer
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Publication Date:
30 August 2018 (online)

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Zusammenfassung

Okulomotorische Störungen können durch pathologische intraorbitale Prozesse entstehen, aber auch, wenn das ZNS oder einzelne oder mehrere Hirnnerven betroffen sind. Insbesondere bei akutem Beginn können sie die Ouvertüre einer schweren neurologischen Erkrankung sein. In dieser Übersicht werden wichtige typische Befundkonstellationen unter Berücksichtigung anatomischer Kompartimente dargestellt.

Abstract

Oculomotor disorders underlie different etiologies. Beside isolated or combined cra-nial nerve palsies and central nervous systems lesions, also intraorbital pathologies and metabolic disorders involving the extraocular muscles may cause ophthalmople-gia. On the one hand oculomotor disorders may be harmless, but on the other hand they may reflect the overture of a severe neurological disorder. With reference to different anatomical compartments typical oculomotor disorders and the correlating neuroradiological findings are presented in this review.

Kernaussagen
  • Eine exakte neurologische Untersuchung und konkrete Fragestellung einerseits sowie die Kenntnis der neurologisch-topischen Zuordnung okulomotorischer Störungen andererseits ermöglichen eine fokussierte Untersuchungsstrategie und Eingrenzung der Differenzialdiagnose.

  • Wichtige anatomisch-funktionelle Abschnitte sind Hirnstamm, Klivus, Sinus cavernosus, Orbitaspitze und Orbita ([Abb. 1]).

  • Okulomotorische Störungen können unterteilt werden in isolierte oder kombinierte Hirnnervenläsionen, Blickstörungen und Blickparesen sowie intrinsische Erkrankungen der extraokulären Muskeln und deren sekundäre Affektion in der Orbita.

  • Die akut schmerzhaft aufgetretene N.-oculomotorius-Parese ist ein neurologischer Notfall.

  • Bei supratentoriellen Raumforderungen weist eine ipsilaterale N.-oculomotorius-Parese mit initialer Mydriasis auf eine (beginnende) transtentorielle Herniation hin und zeigt eine neurologisch-neurochirurgische Notfallsituation an.

  • Beim Horner-Syndrom können 3 verschiedene Läsionshöhen infolge der synaptischen Verschaltungen unterschieden werden. Liegt ein isoliertes Horner-Syndrom vor, zeigt die MRT als häufigsten pathologischen Befund eine Dissektion der A. carotis interna.

  • Kombinierte Hirnnervenläsionen erfordern eine dezidierte Darstellung des Sinus cavernosus mit T1w bi- oder triplanaren Dünnschichtsequenzen vor und nach Kontrastmittelgabe.

  • Eine verdickte V. ophthalmica superior tritt im Rahmen einer Karotis-Sinus-cavernosus-Fistel auf, die eine wichtige Differenzialdiagnose des Sinus-cavernosus-Syndroms ist.

  • Blickparesen treten oft durch Hirnstammläsionen auf. Mesenzephale und paramedian thalamische Prozesse können vertikale Blickparesen verursachen. Eine horizontale Blickparese mit im Vordergrund stehenden Abduktionsdefiziten findet sich bei der Wernicke-Enzephalopathie.

  • Die INO wird durch eine Läsion des MLF, häufig im Rahmen einer MS, verursacht. Ist die paramediane pontine Formatio reticularis mitbetroffen, findet sich ein Eineinhalbsyndrom.

  • Blickwendungen entstehen i. d. R. supratentoriell durch Schädigung oder Reizung der frontalen Augenfelder/Area 8.

  • Erkrankungen der äußeren Augenmuskeln sind oft autoimmun-entzündlich oder stoffwechselassoziiert bedingt. Nach einem Gesichtsschädeltrauma, bei dem auch die Orbita verletzt wurde, muss eine Herniation von Augenmuskeln ausgeschlossen werden.